Kurz und bündig
Ein Teil der in der konventionellen Geflügel-Produktion herrschenden Missstände existiert auch in der Bio-Produktion, da sie nicht (nur) durch die Art der Tierhaltung bedingt sind, sondern direkt mit der Hühnerrasse zu tun haben. Zwar werden in der Bio-Produktion etwas weniger leistungsstarke Tiere eingesetzt, doch auch diese sind meist auf einseitige Leistung gezüchtet, was manche der hier geschilderten Probleme mit sich bringt. Für eine ganzheitlich nachhaltige Produktion ist nebst einer ökologischen und auf das Tierwohl bedachten Produktionsweise auch eine Umstellung auf extensive Zweinutzungshühner notwendig. Die Lösung lautet also: Bio + Zweinutzungshuhn. Zusätzlich müssen wir unseren Konsum reduzieren. (–> Mehr dazu in unserer Antwort auf die Frage: «Wie viel Eier und Hühnerfleisch «darf» man eigentlich essen?»)
Im Detail
In der Bio-Hühnerfleisch-Produktion werden langsamer wachsende Tiere eingesetzt, die insgesamt weniger Fleisch ansetzen: Bio-Masthühner sind bei der Schlachtung doppelt so alt (60 bis 70 Tage) wie konventionelle Masthühner. (Die längere Mastdauer ist auch der Hauptgrund, weshalb Bio-Hühnerfleisch deutlich teurer ist.) Auch in der Bio-Eier-Produktion werden etwas weniger leistungsorientierte Hühner eingesetzt. In beiden Fällen haben Bio-Tiere deutlich bessere Haltungsbedingungen als ihre konventionellen Artgenossen*: sie haben mehr Platz, Auslauf ins Freie und leben in kleineren Gruppen. Ausserdem erhalten Bio-Hühner biologisch angebautes Futter und deutlich weniger Antibiotika.**
Aber: Fast alle Bio-Hühner stammen von den gleichen Grosskonzernen wie ihre konventionell gehaltenen Artgenossen und werden ebenso einseitig auf hohe (wenn auch im Vergleich zu konventionellen Hochleistungs-Hühnern weniger hohe) Lege- oder Mastleistung gezüchtet. Das bringt einige Missstände mit sich, zum Beispiel:
• Eine Studie der Universität Bern zeigte, dass auch Bio-Legehennen standardmässig unter Knochenbrüchen leiden. Dies, weil sie, um ihre hohe Legeleistung erbringen zu können, einen Teil des für die Eierschalen-Bildung benötigten Kalziums aus den eigenen Knochen abbauen und diese deshalb porös und brüchig werden.
• Bio-Legehennen werden in der Regel ebenso wie konventionelle Legehennen aus Effizienzgründen nach nur einem Jahr getötet.
• Auch in der Bio-Eier-Produktion haben die männlichen Tiere keinen Nutzen (da sie rassebedingt kaum Fleisch ansetzen) und werden in der Regel direkt nach dem Schlüpfen getötet. Bis 2026 müssen Schweizer Bio-Eier-Produzent:innen zwar alle männlichen Küken aufziehen, eine Umstellung auf das Zweinutzungshuhn ist jedoch nicht Pflicht. Die Aufzucht der Brüder von Hochleistungs-Legehennen ist jedoch wenig sinnvoll. (–> Mehr dazu in unserer Antwort auf die Frage: «Was unterscheidet einen Zweinutzungshahn vom «Bruderhahn»?».)
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Wenn die Hauptursache des Problems die eingesetzte Hühnerrasse ist, kann man das Problem nicht lösen, ohne etwas an der Hühnerrasse zu ändern. Alles andere ist nicht zu Ende gedachte Symptombekämpfung. Mit dem Zweinutzungshuhn aus ökologischer Zucht (–> in unserer Antwort auf die Frage «Sind alle Zweinutzungshühner gleich («gut»)?» beschreiben wir die Unterschiede zwischen verschiedenen Zweinutzungshuhn-Varianten) wird das Problem an seiner Wurzel gepackt – eine entsprechende Umstellung ist der einzige ganzheitlich sinnvolle Ansatz, um tiergerecht und möglichst ökologisch und sozial gerecht Eier und Hühnerfleisch zu produzieren. Deshalb lautet unsere Empfehlung: Biologische Produktion mit dem Zweinutzungshuhn! Wenn man mangels Angebot (noch) keine Zweinutzungshuhn-Produkte kaufen kann, sollte man selbstverständlich zu Bio-Produkten greifen – und dabei gleich nach Produkten vom Zweinutzungshuhn fragen und Produzent:innen und Läden so zur Umstellung motivieren!
* Es gibt vereinzelt kleine Betriebe, die auch ohne Bio-Label aus Überzeugung hohe Tierwohl- und Umwelt-Standards umsetzen. Deren Produkte sind allerdings nicht beim Grossverteiler erhältlich, sondern werden meist via Direktvemarktung angeboten.
** Auf der Plattform Essen mit Herz des Schweizer Tierschutzes STS kann man die Tierwohl-Richtlinien der verschiedenen Labels einsehen und vergleichen.